Von einer „Schrottimmobilie“ ist umgangssprachlich oder im juristischen Sprachgebrauch die Rede, wenn über ein Gebäude gesprochen wird, das nur sehr oberflächlich saniert zum Kauf oder zum Erwerb einer Eigentumsbeteiligung angeboten wird. In Berührung mit derartigen Objekten sind in den vergangenen mehr als zwanzig Jahren hauptsächlich solche Menschen gekommen, die sich ein Vermögen oder auch nur eine sichere Altersvorsorge aufbauen wollten. Ihnen wurde versprochen, mit dem Erwerb von Immobilien und Fondsanteilen Steuern einzusparen.
Kurzfristige Anlagemöglichkeiten mit nachteiliger Auswirkung
Opfer der Schrottimmobiliengeschäfte wurden Kleinanleger, die über keine große Sachkenntnis im Umgang und im Handel mit Immobilien verfügen. Häufig verfügen solche Anleger nicht einmal über selbstgenutztes Wohneigentum. Im Vertrauen auf das angebliche Urteil eines Beraters verzichten die späteren Anteilseigner darauf, ihre zukünftige Immobilie gründlich anzuschauen, bevor sie einen Andere ließen sich das Objekt zwar zeigen, erkannten aber nicht, dass gravierende Mängel der Bausubstanz nur oberflächlich „geschönt“ wurden, um den wahren Zustand des Gebäudes oder der Wohnung zu verschleiern. In besonders extremen Fällen wurde den ahnungslosen Kauf- oder Beteiligungsinteressenten in betrügerischer Absicht sogar ein anderes, besser instand gehaltenes Gebäude gezeigt.
Der Erwerb von Immobilien oder Immobilienanteilen ging oftmals sehr schnell, weil Berater den Interessenten zuredeten, die einmalige, kurzfristige Chance zu nutzen. Eng verbunden mit dem Begriff der Schrottimmobilie ist das Phänomen des „Mitternachtsnotars“. Einzelne Notare, die sich später dafür verantworten mussten, betrügerische Geschäfte unterstützt zu haben, ermöglichten kurzfristig die Beurkundung von Kaufverträgen, gerne auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten.
Unerwartete Kosten statt Steuerersparnis und Vermögensbildung
Zur Finanzierung des Schrottimmobilienerwerbs wird regelmäßig die Aufnahme eines Privatkredits bei einem Kreditinstitut angeraten und angeboten. Die unangenehmen Auswirkungen eines Geschäfts mit einer Schrottimmobilie bestehen darin, dass das kreditgewährende Geldinstitut ohne Rücksicht darauf, dass der Kaufgegenstand in keiner Weise den Vorstellungen des Erwerbers entspricht, auf vertragsgemäße Rückzahlung des Kreditbetrages und der vereinbarten Zinsen in monatlichen Raten besteht. Weitere finanzielle Nachteile können sich daraus ergeben, dass der neue Eigentümer für Kosten aufkommen muss, die durch den Zustand seiner Immobilie verursacht werden. Insbesondere bei vermieteten Objekten kann es sein, dass statt „garantierter“ Mieteinnahmen Forderungen der Mieter eingehen, die Mieträume in bewohnbaren Zustand zu versetzen und Mängel zu beseitigen. Der Wunsch nach einem finanziellen Vorteil kann sich also ins Gegenteil wenden. Statt Vermögen aufzubauen wird vorhandenes Vermögen verbraucht. Der Erwerb einer Schrottimmobilie kann der erste Schritt zum wirtschaftlichen Ruin sein, der mit der Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens seinen Lauf nimmt.
Rückabwicklung nach Urteil der Gerichte
Die deutschen Gerichte bis hin zum Bundesgerichtshof (BGH), aber auch der Europäische Gerichtshof (EUGH) hatten sich schon mit der Rückabwicklung von Geschäften rund um Schrottimmobilien zu beschäftigt. Verhältnismäßig leicht ist die Rückabwicklung eines Kaufvertrages, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Käufer über den tatsächlichen Zustand des Kaufgegenstands vorsätzlich getäuscht worden ist. Etwas schwieriger ist der Nachweis der Täuschung, wenn Käufer aus freiem Entschluss darauf verzichtet haben, den Kaufgegenstand zu besichtigen, bevor sie beim Notar ihre Unterschrift unter den Vertrag setzten. In solchen Fällen wird teilweise auch eine Mitschuld des Notars in Erwägung gezogen, wenn er nicht ausdrücklich über die Gefahren des Kaufes nicht besichtigter Objekte aufklärte.
Betroffene sollten nicht zögern, sich von einem Fachanwalt über Möglichkeiten beraten zu lassen, sich aus den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Immobilienverkäufer und kreditgewährender Bank zu befreien. Ob der getäuschte Verbraucher bei den Gerichten ein zu seinen Gunsten lautendes Urteil erstreiten kann, hängt von der Fachkenntnis seines Rechtsanwalts und von den konkreten Umständen der Vertragsabschlüsse ab. Günstige Voraussetzungen für eine vollständige Rückabwicklung von Kauf und Kreditaufnahme bestehen dann, wenn sich Immobilienkauf und Kreditaufnahme als ein einheitliches rechtliches Gebilde aus mehreren, miteinander verbundenen Elementen darstellt. Ob sich die kreditgewährende Bank einen Täuschungsvorsatz des Vermittlers, der die Schrottimmobilie angepriesen hat, zurechnen lassen muss, ergibt sich aus den Anhaltspunkten des Einzelfalls.
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