Der Sozialstaat soll umgekrempelt werden. Wie üblich führen Befürworter und Gegner mehr sozialer Leistungen hitzige Debatten. Am Ende läuft’s voraussichtlich wie bisher: Die Menschen müssen “mehr Eigenverantwortung” übernehmen und dies ganz besonders zum Thema Pflege.
Pflegekosten – Eine Frage der Finanzierbarkeit
Mit dem Beginn 2019 starteten auf der politischen Ebene auch die neu aufgeflammten Debatten rund um den Umbau des Sozialstaates. Im Vordergrund steht der vom Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eingebrachte Vorschlag einer sog. Grundrente. Diese sollen Rentner erhalten, wenn diese zuvor mindestens 35 Jahre lang Beiträge für die Rentenkassen leisteten. Das Pro & Contra zur Grundrente wird derart hitzig geführt, dass die ebenfalls geplante nächste Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung medial ins Hintertreffen geriet. Angesichts des propagierten demografischen Wandels erscheint dieses Thema als mindestens ebenso wichtig.
Mit dem zuletzt im Herbst 2018 umgesetzten “Pflegestärkungsgesetz II (PSG II)” stärkte die Bundesregierung überwiegend die Positionen der Pflegeeinrichtungen und nicht zuletzt das Pflegepersonal. Was durchaus eine Berechtigung hat, führte jedoch zwangsläufig zu höheren Kosten in der Sozialen Pflegeversicherung. Das Ergebnis mündete in der Anhebung des Beitragssatzes ab 2019 auf 3,05 Prozent für Arbeitnehmer mit Kindern und 3,3 Prozent für Arbeitnehmer ohne Kinder und dies trotz des teils heftigen Widerstandes der Arbeitgebervertreter. Schritte wie bereits das umgesetzte Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) und das Erste Pflegestärkungsgesetz (PSG I) dienen lt. O-Ton Sechster Pflegebericht des Bundesgesundheitsministeriums den “Pflegebedürftigen und ihren Familien”.
Steigende Pflegekosten lassen Renteneinkommen hinter sich
Steigende Beiträge für die Soziale Pflegeversicherung und ausgeweitete Umverteilungen von Steuergeldern werden allerdings eines nicht vermeiden können: Der weiter ansteigende Eigenanteil der Pflegebedürftigen. Die Kosten für Altenheim und Pflege eilen den eher zögerlich ansteigenden Renteneinkommen buchstäblich davon. Ende 2017 summierten sich die Kosten für Pflege im Altenheim im bundesweiten Durchschnitt auf 1.772 Euro pro Monat. Ein Jahr später mussten Betroffene bereits 1.830 Euro monatlich für die gleiche Leistung aufbringen, wie der Verband der Ersatzkassen vorrechnete. Die Soziale Pflegeversicherung deckt jedoch nur die “wesentlichen Pflegeanteile” ab. Rund 655 Euro mtl. u.a. für Unterkunft und Verpflegung sind dagegen aus eigener Tasche zu bezahlen.
Es wird auf eine notwendige Privat-Pflegeversicherung hinauslaufen
In die Diskussionen um die künftige Finanzierbarkeit der Pflegeversicherung schaltete sich nun auch der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) ein. Dieser sieht zwar naturgemäß die größeren Vorteile in einer privaten Pflegeversicherung, aber die aufgeführten Gründe sind nicht von der Hand zu weisen. Die Beiträge für die private Variante seien seit der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995 seither geringer angestiegen, obwohl die Leistungen durchaus vergleichbar wären. Im Zuge der aktuell geführten Debatten warnte der Verband vor vermeintlicher Irreführung aufgrund des vorgeschlagenen Finanzausgleich zwischen gesetzlicher und privater Vorsorge.
Der PKV plädiert für mehr Gewicht auf die kapitalgedeckte Pflegevorsorge und darauf wird es aller Voraussicht nach auch hinauslaufen. Die Zahl der von Sozialhilfe abhängigen Pflegebedürftigen stieg von rund 360.000 Betroffenen im Jahr 2006 auf 440.000 bis Ende 2017. Deren Vermögen und eigene bzw. anderweitige Einkommen reichten nicht für die Deckung der anfallenden Pflegekosten nicht aus. Das Sozialamt musste aushelfen.
Mit der politisch favorisierten “höheren Eigenverantwortung” ist unmissverständlich die zusätzliche Privat-Pflegeversicherung angesprochen und die Weichen dürften derart gestellt werden, dass in der Zukunft auch nur eine solche im Pflegefall einen wirksamen finanziellen Schutz für Einkommen und Vermögen darstellen wird.
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