Sie sind neu im Chefsessel und damit jetzt auch für die Personalauswahl verantwortlich? Sie werden feststellen, dass im Vorstellungsgespräch diese Seite des Tisches mindestens so viele Fallstricke bietet wie die Position des Bewerbers, die Sie selbst kürzlich noch eingenommen haben. Wie war Ihr Gespräch? Auf Standardfragen nach Ihren Stärken und Schwächen waren Sie vermutlich bestens vorbereitet. Gehen Sie davon aus, dass Ihre Kandidaten es auch sind. Überraschen Sie sie mit ein paar originelleren Fragen, aus denen Sie vielleicht wirklich etwas von Ihrem Gegenüber erfahren. Vor allem: Bleiben Sie sich treu, auch in dieser angespannten Situation.
Das Handwerkszeug erlernen
Ein Führungsseminar vermittelt Ihnen auf jeden Fall wichtiges Basiswissen für Einstellungsgespräche. Sie lernen die Phasen eines Gesprächs kennen, vom Smalltalk über die Vorstellung von Bewerber und Unternehmen und das Interview bis zur Klärung des weiteren Vorgehens. Sie wissen, welche Fragen Sie sich aus rechtlichen Gründen unbedingt verkneifen sollten, auch wenn Sie Kinderwunsch, Mitgliedschaft in einer Partei oder Gewerkschaft, Vermögensverhältnisse und Vorstrafen noch so sehr interessieren. In einem guten Seminar erfahren Sie, wie Sie ein Gespräch lenken, mit welchen Fragetechniken Sie den Bewerber zu einer Selbstreflexion zwingen und wann Sie provokante Fragen gezielt einsetzen sollten.
Trotz Rhetorik-Schulung authentisch bleiben
Viel schwerer zu erlernen ist, wie Sie ein gut vorbereitetes Gespräch so klingen lassen, dass es sich locker und spontan anfühlt und Sie damit für den Bewerber eine angenehme Atmosphäre schaffen. Die größte Gefahr einer erlernten Rhetorik ist, dass Sie sie Ihrem eigenen Stil überstülpen. Das macht das Gespräch steril und Sie selbst unglaubwürdig. Legen Sie sich für den Interview-Teil einen Fragenkatalog zurecht, aber kleben Sie nicht daran. Gehen Sie lieber den Weg der Kettenfragen, die sich aus den zuvor gehörten Antworten ergeben.
Ein Praxisbeispiel
Statt nach Stärken und Schwächen, nach Erfolgen und Misserfolgen zu fragen, erkundigen Sie sich nach dem größten Vorbild Ihres Kandidaten. Darauf gibt es eine Menge Antworten – die Eltern, eine Führungspersönlichkeit in der Wirtschaft oder Politik, ein Sportler, ein anderer Prominenter, ein enger Freund. Entscheidend ist nicht die Person, sondern das Warum. Geht es um Wettbewerb, Ehrgeiz, Einkommen und Wohlstand? Oder um soziale Beziehungen, um das Überwinden einer Krise? Nutzen Sie die Antwort, um weiter zu fragen. „Ist Ihr jetziger Chef in dieser Beziehung auch ein Vorbild für Sie?“ Ein guter Bewerber wird das nicht als Aufforderung zum Lästern über seine jetzige Arbeitsstelle missverstehen, sondern wird Ihnen gezielt darlegen, was aus seiner Sicht gute und schlechte Führungsqualitäten sind – Ihr nächster Anknüpfungspunkt. Ein wenig variieren lässt sich die Ausgangsfrage auch mit der Vorstellung, sich in ein Tier zu verwandeln. Wie wird sich Ihr Kandidat entscheiden? Ist er der Typ fleißige Arbeitsbiene oder eher der Löwe, König des Dschungels? Oder der Greifvogel, der sich aus der Höhe den Überblick verschafft, bevor er gezielt zuschlägt? Die eierlegende Wollmilchsau strotzt nur so von Selbstbewusstsein. Seien Sie gespannt auf die Begründung.
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